[Projekt 52] Landluft

Projekt 52 - Landluft

Jetzt habe ich schon wieder einen kleinen Gewissenskonflikt mit einem Thema von Saris Projekt 52… 😁

Weißt du noch, neulich bei „Jeden Sonntag“? – Genau, da habe ich einen Äppelhaufen aus dem Stutenstall fotografiert, weil ich da nun mal jeden Sonntag mit dem Mistdienst dran bin. Es ist mir sehr wohl nicht entgangen, dass das von allen 18 bisher entstandenen BeitrĂ€gen zum Projekt 52 der einzige ist, der keinen einzigen Kommentar erhalten hat. 😅

Also, verstanden – Rustikales kommt nicht so gut an.

Aber… tja. Jetzt droht so etwas schon wieder. đŸ€·â€â™€ïž

Landluft

„Landluft“ heißt die nĂ€chste Aufgabe nĂ€mlich ganz harmlos… und ich musste ziemlich grinsen, als ich das gelesen habe.

Projekt 52 / 2025 - Die Themen im Mai

Als Stadtmensch denkt man bei dem Wort bestimmt an so etwas Angenehmes wie den Geruch von frisch abgemĂ€hten Feldern… Blumenduft… eine sanfte Brise irgendwo im GrĂŒnen… Kinners, es tut mir ehrlich leid. Hier auf dem Dorf bedeutet das etwas ganz anderes. Da geht man nĂ€mlich vor die TĂŒr, schnuppert kurz und verzieht das Gesicht: „Örx… Landluft… đŸ˜”â€đŸ’«“ Will heißen: irgendein Bauer in der Umgebung hat gerade GĂŒlle ausgebracht.

Wikipedia definiert GĂŒlle kurz und schmerzlos:

GĂŒlle ist ein natĂŒrlich anfallender WirtschaftsdĂŒnger, der hauptsĂ€chlich aus Abfallstoffen der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung wie Urin und Kot besteht. Je nach Beigabe von Einstreu und Wasser spricht man von Dick- oder DĂŒnngĂŒlle, Schwemmmist oder FlĂŒssigmist bzw. Jauche (vgl. Mist).

Wikipedia: GĂŒlle

Es tut mir echt Leid. đŸ€“

Aber hey!

Aus GrĂŒnden der Ästhetik habe ich mich entschieden, die Erzeuger zu fotografieren statt des Erzeugnisses. 😁

Ta-daa:

Projekt 52 - Landluft - KĂŒhe

Skurrile GĂŒlle-Fakten

Um diesen Beitrag ertrĂ€glicher zu machen, habe ich dir ein paar Fakten aus der Kategorie „unnĂŒtzes Wissen“ zusammengestellt:

  • GĂŒlle-Silvester wird am 31. Januar gefeiert: dann endet nĂ€mlich die Sperrfrist der Wintermonate, ab Februar darf wieder GĂŒlle auf die Felder und Wiesen gefahren werden.
  • GĂŒlle kommt rum: weil sich Viehhaltung und Ackerbau nicht ĂŒberall die Waage halten, wird die ĂŒberschĂŒssige GĂŒlle aus BundeslĂ€ndern mit viel Viehhaltung (wie etwa hier in NRW) mit LKW und Schiffen Hunderte von Kilometern weit in anderen Regionen mit mehr Feldern transportiert.
  • GĂŒlle in HĂŒlle und FĂŒlle (hau mich nicht fĂŒr dieses Wortspiel 😄): aus einer durchschnittlichen Milchkuh kommen pro Jahr durchschnittlich 25 Kubikmeter GĂŒlle. Damit bekommst du einen Pool von 6x3m gefĂŒllt, der 1,40m tief ist. Die Menge variiert natĂŒrlich, je nachdem ob Einstreu mit dabei ist, und im Laufe der Monate zersetzt sich der Mist und wird komprimierter. Aber du bekommst eine Vorstellung davon, dass die Mist-Logistik gerade im Winter nicht ganz einfach ist, wenn die GĂŒlle nicht ausgebracht werden darf und Dutzende oder gar Hunderte KĂŒhe weiterhin vor sich hin verdauen.
  • Die GĂŒlle-Challenge: damit die NĂ€hrstoffe optimal in den Boden gelangen, darf der Boden nicht zu kalt und schon gar nicht gefroren sein, zu heiß darf es aber auch nicht sein – 10-15°C sind optimal und idealerweise regnet es kurz danach auch. Die Zeitfenster mit diesen Bedingungen sind naturgemĂ€ĂŸ eng gestrickt, wie bei so ziemlich allem in der Landwirtschaft sind Timing und Logistik also eine Herausforderung. Eine Extra-Challenge stellt die Konsistenz der GĂŒlle dar: ist sie zu dickflĂŒssig bzw. hat noch StĂŒckchen drin, bleiben die beim Ausbringen auf dem Boden liegen (diese „GĂŒllewĂŒrste“ will keiner haben) oder verstopfen im ungĂŒnstigten Fall auch die Pumpe.
  • XXL-GĂŒlle: hierzulande siehst du meistens einen Traktor mitsamt GĂŒllefass seine Bahnen ĂŒber das Feld ziehen. In Kanada ist das alles „ein bisschen“ grĂ¶ĂŸer, wie du in diesem Video mit der „grĂ¶ĂŸten bisher gefilmten GĂŒllepumpe“ sehen kannst.

Wie funktioniert das mit der GĂŒlle eigentlich genau?

Falls du dich gerade fragst, was in aller Welt eine GĂŒllepumpe ist und wie der Mist aus der Kuh schließlich aufs Feld kommt:

Vom Kuhstall aus wird der Mist (also Kuhfladen plus nasse / dreckige Einstreu) erstmal gesammelt. In moderneren bzw. fĂŒr Viehhaltung im großen Stil konzipierten StĂ€llen fĂ€llt der Mist direkt durch Schlitze im Boden nach unten in einen GĂŒllekeller, andernfalls muss er halt geschippt werden.

Jetzt muss der Mist mindestens 6 Monate lang ablagern, und zwar in einem geschlossenen Bereich, um Emissionen oder ein Einsickern ins Grundwasser zu verhindern.

Vor dem Ausbringen wird die GĂŒlle verrĂŒhrt und mit einer GĂŒllepumpe in ein Transportfass befördert – das kommt dann hinten an den Traktor dran. Auf deutschen Höfen fassen die FĂ€sser meist 3-20 Kubikmeter, manchmal sieht man die wirklich großen GĂŒllefĂ€sser mit 30 Kubikmetern (sprich: 30.000 Liter). Zum Vergleich: das Monster aus Kanada kommt auf 64 Kubikmeter.
Wenn Hof und Felder weit auseinander liegen, werden grĂ¶ĂŸere Mengen GĂŒlle in einem Zubringerfass mitgenommen und dann vor Ort auf dem Feld in das kleinere Ausbringfass umgepumpt.

FĂŒr das Ausbringen gibt es verschiedene Methoden. Der sogenannte Breitverteiler, bei dem die GĂŒlle einfach hinten aus dem Fass „fliegt“ und dabei gerne auch mal angrenzende Straßen & Co. sprenkelt, ist mittlerweile verboten – die GĂŒlle muss jetzt bodennah ausgebracht werden. Denn die NĂ€hrstoffe aus der GĂŒlle sind zwar superwichtig fĂŒr den Boden, sollen aber nicht in der Luft landen – Stichwort CO₂ und halt auch einfach Gestank, womit wir wieder beim Thema Landluft wĂ€ren.

  • Auf Wiesen zieht ein sogenannter Schleppschuhverteiler kleine Furchen und gibt die GĂŒlle direkt hinein.
  • Auf Ackerboden kommen SchleppschlĂ€uche zum Einsatz, die die GĂŒlle auf den Boden tropfen.
  • Es gibt noch einen Haufen weitere Methoden und auch Mischformen… da wird fleißig getĂŒfelt und geforscht. Echt spannend, ich verlier mich ja gern in solchen Rabbit Holes und als Dorfkind interessiert mich das eh. 😅 Lesetipp: ein Bericht vom Triesdorfer GĂŒlletag 2023.

Also, als Fazit… wenn du das nĂ€chste Mal einen Schluck Milch trinkst oder KĂ€se oder Fleisch ist… denk einen Moment darĂŒber nach, wie viel Arbeit und Logistik dafĂŒr notwendig war. 🙂


Die BeitrĂ€ge der anderen Teilnehmer findest du wie immer bei Sari in der Linkparty. 😊

8 Kommentare zu „[Projekt 52] Landluft“

  1. Haha, ich finds großartig. Eine vollkommen andere und richtige Perspektive :) Ich muss gestehen, der Sonntags-Beitrag muss an mir vorbei gezogen sein: Direkt nochmal schauen gehen!

  2. Hallo Anne!

    Gewissenskonflikte, auch kleine, helfen uns, so meine Haltung. Deinen Blogbeitrag habe ich bei mir verlinken können, was mir nicht immer so einfach fÀllt. Somit ein angenehmes Wochenende, Frank.

  3. Hallo Anne!
    Das ist mit Abstand der interessanteste und auch schönste Beitrag ĂŒber GĂŒlle, den ich je gelesen habe! 😅
    Und ich hab eine Menge neue, tolle Wörter gelernt : GĂŒllekeller, Schleppschuhverteiler, Ausbringfass… mein Stadtkindhirn staunt! Nicht zuletzt ĂŒber einen mit GĂŒlle gefĂŒllten Swimmingpool! *Kopfkino
    Danke fĂŒr diesen Beitrag 😁

  4. Herrlich! Jetzt weiß ich mehr ĂŒber GĂŒlle als ich jemals zu hoffen wagte. Aber ich verstehe gut, was du meinst. Dieser „Geruch“ ist mir auch bestens bekannt, hier auf dem Land.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen